OnkelBarlow/BMZ/541: Das zweitschlimmste Buch der Weltgeschichte

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541 2019-04 00:09:34 YouTubeSpotify

Zusammenfassung

<Zusammenfassung>

Lessons Learned

<Lesson Learned 1>

Transkript

Herzlich willkommen zu einem BMZ Special mit dem Thema das zweitschlimmste Buch der Weltgeschichte. Wundert euch nicht, die heutige Folge ist im Gegensatz zum üblichen BMZ-Format komplett vorgeschrieben, aufgenommen und geschnitten. Hey Barlow, in Netflix ist gerade sehr im Hype Love, Death and Robots. Wer es nicht kennt, es besteht aus 18 Kurzgeschichten verschiedener Künstler aus der ganzen Welt. Einige Folgen sind mal sehr lustig, andere Actiongeladen. Oftmals auch sehr brutal. Die Serie ist auch FSK 18. Ich habe es zusammen mit meinem Freundeskreis angesehen, bestehend mit mir, drei Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 25 und 30. Nachdem wir alle Folgen durch hatten, haben wir über einige Folgen geplaudert. Beste Folge, die Message hinter den Folgen, Animationsstyle und so weiter. Im Internet wollten wir dann schauen, wie andere darüber denken. Ich bin dann auf mehrere Artikel im Netz gestoßen, wie sexistisch die Serie hier gegenüber den Frauen sei. Interessanterweise haben alle von uns das nicht so empfunden und besonders die zwei Frauen bei uns sagten, dass sie einige weibliche Rollen in der Serie sehr stark fanden bzw. genau das Gegenteil vom Artikel. Ich bin nicht genau sicher, wie ich die Frage stellen soll, aber irgendwer muss doch dann Unrecht haben, oder? Wir haben extra alle Folgen noch mal im Schnelldurchlauf angeschaut und haben interessanterweise in einigen Folgen eher das Gegenteil von Sexismus gesehen. Was mir durch den Kopf geht, ist, wir können Sexismus nicht erkennen oder die Artikel im Netz wollen die Serie runterziehen. Ich hoffe, du kannst mit einer allgemeinen Expertenmeinung bei unserem Dilemma aushelfen, Grüßtronen. Okay, da ich die Serie nicht kenne und nicht vorhabe, Szene für Szene anzuschauen, versuchen wir etwas anderes. Deine Annahme ist, dass Sexismus offensichtlich erkennbar sein muss und entsprechend es eine richtige und falsche Einschätzung bezüglich der Serie gibt. Ich hingegen behaupte, wenn man sich nur hinreichend Mühe gibt, Inhalt, Absicht und Kontext zu ignorieren, kann man jedem Urheber, jeden Werkes, egal ob Film, Buch, Serie oder Computerspiel, wahlweise Sexismus oder auch Rassismus oder was auch immer man möchte unterstellen, ganz gleich, worum es tatsächlich im entsprechenden Werk geht und egal, was der Urheber in Wahrheit damit bezwecken wollte. Du wirst jetzt möglicherweise sagen, Moment mal, das kann doch nur dann funktionieren, wenn das Werk auch eine Angriffsfläche in Form relevanter Verfehlungen liefert, oder? Und genau das ist der Trugschluss, da in der Social Justice Warrior Welt ich als Empfänger darüber entscheiden darf, was A. relevant und B. eine Verfehlung ist. Okay, trotzdem funktioniert das nicht bei jedem Werk. Nimm dir irgendein universell geliebtes harmloses Kinderbuch, zum Beispiel Die kleine Raupe Nimmersatt. Gut, dass du es ansprichst. Halt eben mein Bier. Willkommen zu meinem Vortrag, das zweitschlimmste Buch der Weltliteratur, Die kleine Raupe Nimmersatt. Zunächst einmal ist es aus meiner Sicht erschreckend, wie leicht sich Nazi-Literatur in unsere Kinderzimmer schleichen konnte. Wie war das? Die kleine Raupe Nimmersatt ist keine Nazi-Literatur? Naja, geschrieben wurde sie von Eric Carle, der 1944 als Hitlerjunge bei der Befestigung des Westwalls geholfen hat. Jetzt wirst du sagen, aber in einer Diktatur zum Beitritt der Hitlerjugend gezwungen zu werden, macht einen doch nicht zu einem Nazi. Selbst Mitglieder der Weißen Rose wurden zum Einsatz an der Front gezwungen und bildeten trotzdem eine der wichtigsten Widerstandsgruppen gegen die Nazis. Und ich habe mehrere Möglichkeiten, auf deinen völlig richtigen Einwurf zu reagieren. Erstens ignorieren. Aber das wäre zu einfach. Zweitens, ich bezeichne dich als Nazi-Apologist und entziehe mich damit der Kritik, indem ich dir unterstelle, selbst ein Sympathisant der Ideologie zu sein. Aber ich wähle heute sogar freiwillig den schwersten Weg, indem ich meine Aussage relativiere zu. Eric Carle ist ein Autor mit einer Nazi-Vergangenheit. Das ist zwar völlig irreführend, aber inhaltlich nicht eindeutig falsch. Und jetzt kommt ein weiteres Stück notwendiger Social-Justice-Warrior-Logik, der Non-Séquitur. Oder die falsche Schlussfolgerung. Aufpassen. Alle Nazis haben eine Nazi-Vergangenheit. Eric Carle hat eine Nazi-Vergangenheit. Daraus folgt, Eric Carle ist ein Nazi. Jetzt wirst du richtigerweise anmerken, dass meine Folgerung gerade gleichwertig war mit folgender. Alle Elefanten sind Tiere. Mein Hund ist ein Tier. Daraus folgt, mein Hund ist ein Elefant, was offensichtlich Blödsinn ist und du hast Recht. Worauf ich antworte, dass dein Argument das typische Argument von Nazi-Apologisten ist und so schließt sich der Kreis. Ab jetzt werden wir uns die Mühe sparen, die faktischen Ereignisse einer kritischen Prüfung durch Dritte auszusetzen, indem wir korrekterweise sagen, dass Carle zur Mitgliedschaft in der HJ gezwungen wurde und stattdessen das gerade bewiesene Eric Carle ist ein Nazi verwenden. Das ist wichtig. Ich bezeichne das in Anlehnung an Goodwin's Gesetz als Goodwin's Jackpot. Wir konnten einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem Werk und dem Autoren einem Nazi herstellen und damit ist das Werk Nazi-Literatur unfolglich falsch und verwerflich. Moment mal, wirst du jetzt sagen, das ist schon wieder keine logische Schlussfolgerung. Selbst dann nicht, wenn wir der Annahme zustimmen, dass Carle ein Nazi ist. Wenn Werner von Braun beispielsweise ein Buch über die Schwierigkeiten beim Bau der Saturn-Trägerraketen für die NASA verfasst, wird es dadurch nicht notwendigerweise falsch oder verwerflich oder gar Nazi-Literatur. Worauf ich zum vorangegangenen Kapitel zurückspringe und sage, dass du gerade genau das tust, was ein Nazi tun würde, um ein von ihm geschriebenes Buch zu rechtfertigen. Weiter im Text. Die kleine Raupe Nimmersack schlüpft also aus einem Ei. Und wer hatte ebenfalls nur ein Ei? Hitler. Kleiner Spaß, das ist selbst mir zu blöd. Die Raupe schlüpft also aus einem Ei, hat Hunger und beginnt sich durch Obst zu fressen. Äpfel, Birnen, Pflaumen, Erdbeeren, Apfelsinen. Zwei Dinge. Erstens ist es die Raupe, also weiblich, die wir hier mit dem Attribut verfressen assoziieren und zweitens verschwendet die weibliche Raupe 95 Prozent der Ressourcen. Das in einer Zeit, wo unsere westliche Industriegesellschaft mehr Nahrungsmittel wegschmeißt als verbraucht. Und drittens ist ihr Verhalten eine Verharmlosung von Bolemie, von der Frauen überdurchschnittlich häufig betroffen sind und wo im Minimum eine Triggerwarnung wünschenswert gewesen wäre. Jetzt wirst du vermutlich sagen, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, aber nur weil wir die Raupe sagen, ist es keine weibliche Raupe. Das Geschlecht des Wortes ist nicht identisch mit dem Geschlecht des Tieres. Woraufhin ich sage, aber genau das ist doch der Grund, warum wir heutzutage Studierende sagen und nicht Studenten. Also sollten wir jetzt Raupende sagen, wenn wir geschlechtsneutral über Raupen sprechen? Würdest du dich jetzt fragen? Worauf ich sage, vielleicht, ist aber auch unerheblich, weil die Raupe ja eindeutig Verhalten zeigt, dass sie im Rahmen sozio-kultureller Vorurteile Frauen vorwerfen. Zudem besteht die kleine Raupe Nimmersad nicht den Bechteltest. Den Bechteltest wirst du jetzt fragen? Ja, den Bechteltest. Die Frage, ob in einem Werk mindestens zwei Frauen vorkommen, die sich miteinander unterhalten und über etwas anderes als Männer sprechen. Die Mehrheit von Filmen besteht ihnen nicht. Aber wie sollen sich in einem Buch zwei Frauen über etwas anderes als Männer unterhalten, wenn der einzige Protagonist ein Tier ist, das nicht sprechen kann? Worauf ich sage, genau das ist der Punkt. Wir halten das Buch für lesenswert und ziehen sogar Tiere als Protagonisten vor, bevor wir zwei Frauen miteinander sprechen lassen. Kommen wir aber zum Samstag. Am Samstag frisst die Raupe alles Mögliche, unter anderem Eis, Wurst, Schokoladenkuchen, Käse, Würstchen, bevor sie sich verwandelt. Und als Nicht-Weiße eine Wassermelone, was für sich genommen schon rassistisch ist. Was fällt ihr auf? Nichts. Was soll mir auffallen, wirst du sagen? Na ja, als sie sich vegan ernährt, ist sie immer hungrig. Aber sobald sie Fleisch und Milchprodukte isst, geht sie in eine höhere Entwicklungsstufe über. Das Buch ist also auch anti-vegan. Und der absolute Gipfel ist, dass sie sich in einen Schmetterling verwandelt. Warum das, wirst du dich fragen? Ganz einfach. Der Schmetterling. Männlich. Und inbegriff der Schönheit im Gegensatz zur fetten, verfressenen weiblichen Raupe. Die höchste Entwicklungsstufe ist also ein körperlich gesunder, weißer, männlicher Cishmetterling. Wieso weiß? Weil nirgends erwähnt wird, dass er einer Minderheit angehört. Natürlich. Wenn du also dieses Stück sexistischer, rassistischer, anti-veganer, cisnormativer Naziliteratur einem Kind schenken möchtest, warum dann nicht leicht die unkommentierte Version von Mein Kampf? Du wirst jetzt vermutlich sagen, dass wenig von dem, was ich behaupte, schlüssig oder logisch zu Ende gedacht ist. Aber das muss es auch nicht. Wir hatten doch schon erklärt, dass der Empfänger die Legitimität der Nachricht bestimmt. In diesem Sinne, dein Onkel Barlow.