OnkelBarlow/BMZ/521: Medienkompetenz - So lügt man mit Statistik

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521 2019-03 00:14:33 YouTubeSpotify

Zusammenfassung

<Zusammenfassung>

Lessons Learned

<Lesson Learned 1>

Transkript

Hallo und herzlich willkommen, hier ist Barlow mit BMZ Nummer 521 und weil es von euch manchmal gefragt wurde, das Thema Medienkompetenz, habe ich heute mal wieder ein kleines Video dazu gemacht und heute mit dem Titel So lügt man mit Statistik. Einige von euch haben vielleicht in letzter Zeit irgendwann mal diese Grafik oder eine ähnliche Grafik gesehen. Was sie zeigt ist die Anzahl der tödlich verunglückten Arbeiter in Katar im Rahmen der Arbeiten zur Fußballweltmeisterschaft 2022. Vergleichswerte werden angegeben Peking, die Olympischen Spiele, London, ein Todesfall, Vancouver, ein Todesfall, Südafrika, zwei Todesfälle und dann Bomben 1200 in Katar. Und bis dahin ist es noch drei Jahre hin, bis der Weltcup stattfindet. Und wann immer ich sowas sehe, also hier zum Beispiel die Headline oder die Aussage, die diese Grafik hier hat. Südafrika, das ist nicht gerade ein Land, das einem als allererstes in den Sinn kommt, wenn man irgendwie über strenge Bauvorschriften oder so nachdenkt. Und dann Katar und den Faktor 600, dass 600 mal so viele Menschen ums Leben gekommen sind. Wenn man dieser Grafik glauben schicken darf zumindest bei den bisherigen Arbeiten zur Fußballweltmeisterschaft. Das erste, was ich mir da überlege, ist, das klingt extrem. Skandalös natürlich, aber auch extrem unglaublich. Das ist ja einfach unglaublich, das muss man teilen. Was ich mir dabei auch immer denke, ist so meine Faustregel. Je unglaublicher etwas klingt, dass du irgendwo liest oder siehst als Nachricht, desto wahrscheinlicher stimmt es nicht. Oder es ist zumindest nur ein Bruchteil der tatsächlichen Geschichte. Das war einer der Gründe für mich, mal so ein bisschen auch nachzulesen, was es mit diesem Ding und dieser Grafik auf sich hat. Denn eines ist klar, es gibt viel Gegenwind gegen die WM in Katar. Ich kann das gut verstehen. Wenn ich es mir aussuchen dürfte, hätte die dort nie oder würde die dort nie stattfinden. Schon allein die Tatsache, dass sie auch noch auf den Winter verschoben werden muss, damit die Sportler vor Ort ein geringeres Risiko für ihre Gesundheit haben. Weil die Temperaturen im Sommer dort so unerträglich sind, dass man dort nicht Profi oder professionell Fußball spielen und Sport betreiben kann. Und es gibt alle möglichen anderen guten Gründe, gegen die WM in Katar zu sein. Absolut. Die Frage ist nur, die ich mir gestellt habe, stimmt diese Statistik überhaupt? Ist da irgendwas dran? Ist das so richtig? Sterben dort im wahrsten Sinne des Wortes die Arbeiter, wie die fliegen, während sie Fußballstadien für die WM hochziehen? Und die erste Information, die ich mal gefunden habe, ist, woher diese Zahlen kommen. Diese Zahlen sind veröffentlicht worden zum ersten Mal 2013 in einem Bericht von der International Trades Union Confederation. Das ist die ITUC und zu Deutsch etwa der Internationale Gewerkschaftsbund. Bund von Gewerkschaften und dem Weltverband der Arbeitnehmer. Die haben die Zahlen bekommen, indem sie zu den Botschaften von Nepal und Indien gegangen sind. Zwei der Länder, die sehr viele der ausländischen Arbeiter in Katar stellen. Und bei den Botschaften angefragt haben, was die denn so an Todesfällen für die Arbeiter in dem Land zu vermelden haben. Und das waren für die drei Jahre 2011, 12, 13 1239 Tode. Okay, also die Nummer scheint verdammt nahe dran an der Realität zu sein, wenn man die 1200 als Maßstaben nimmt sogar noch höher. Damit endet das Ganze aber nicht. Nepal und Indien stellen nur 60 Prozent der etwa geschätzten 1,4 Millionen ausländischen Arbeiter in Katar. So sind die insgesamt Zahlen, die gesamten Zahlen noch höher. Es gibt einen Anwaltskanzlei, die heißt DLA Piper, die von der Regierung von Katar in Auftrag gegeben wurde, sich diese Zahlen anzugucken. Und die haben ähnliche Werte festgestellt. Also selbst die von der Katar beauftragt, haben ähnliche Werte festgestellt. Und dazu noch die Tode der Arbeiter aus Bangladesch herausgefunden und dazu addiert, kommt man auf fast 1800 pro Jahr oder über drei Jahre oder 600 pro Jahr. Und jetzt sagen wir, oh mein Gott, das Problem ist ja sogar noch schlimmer als in dieser Twitter Meldung. Nein, denn zum einen arbeiten nicht alle diese Arbeiter an Gebäuden, die zum Weltcup gehören. Das sind einfach alle möglichen Arbeiter. Die meisten von ihnen arbeiten nicht an irgendwelchen Gebäuden, die mit irgendwas von der Weltmeisterschaft zu tun haben. Zum Zweiten arbeitet ein Drittel der dort aufgeführten Menschen noch nicht mal überhaupt im Baugewerbe, sondern keine Ahnung, sind Kellner vielleicht dabei oder Pizzalieferanten oder sonst irgendwas. Und der letzte Satz ist das Krasseste daran, denn die ITUC hat alle Tode aller Arbeiter gezählt, egal in welchem Feld sie arbeiten und egal, woran sie gestorben sind. Die Zahl klingt ja zunächst mal so, wenn man sie aufführt, Weltcup, blablabla, das ist irgendwas, was ja beim Stadion war vermutlich. Nee, du tauchst da auch auf, wenn du dich zur Tode seufzt. Du tauchst da auch auf, wenn du einen Mopha-Unfall hast, einen tödlichen. Du tauchst da sogar auf, wenn du einen Herzinfarkt hast, während du im Bett liegst. Jeder, jeder, der stirbt, taucht dort auf. Und daraufhin gab es eine Pressebeteiligung der indischen Regierung, die sagt, wenn man sich anguckt, wie viele Menschen, wie viele Inder dort arbeiten, ist die Anzahl der Tode sehr normal. Sie sagen nämlich, dass angesichts der Tatsache, dass dort ungefähr eine halbe Million indische Arbeiter arbeiten in Katar und die dort 250 Todesfälle pro Jahr haben, ist das nicht sehr hoch, denn zu Hause in Indien wären es tausend in derselben Altersgruppe und bei derselben Größe von Gruppe, also bei 500.000 Menschen. Das kann man sagen, ja, Indien, das ist ja irgendwie auch, die haben ja auch fürchterliche Verhältnisse dort, stimmt. Aber selbst im Vereinigten Königreich, also in England, ist der Wert 300. Also der Wert in England ist höher als für die ausländischen Arbeiter in Katar, für die indischen Arbeiter in Katar. Daraufhin wurde Tim Noonan angesprochen, der zur ITUC gehört und er sagt, das sei aber ein irreführender Vergleich. Er ist derjenige, der jetzt sagt, es sei ein irreführender Vergleich, wenn man die Zahlen von Indien mit denen von Katar vergleicht, entklammert denen von Indien, die viermal so hoch sind wie die in Katar. Denn die Arbeiter in Katar sind nicht nur jung, sind sie in Indien auch, wenn man die selbe Altersgruppe angeguckt, sie sind ja auch fit, denn Katar benötigt von ihnen eine medizinische Untersuchung, um Vorerkrankungen festzustellen. Seiner Meinung nach sind das also Äpfel und Birnen. Es gibt zwei Probleme, die Tim hat bei dieser Aussage. Das eine ist, dass die Anzahl von erkrankungsbedingten oder von allgemein durch natürliche Tode hervorgerufenen, also durch natürliche Ursachen hervorgerufene Tode, so rum, in dieser Altersgruppe sehr gering ist. Also wir wissen insgesamt in der Gesellschaft ist es sehr hoch, da ist irgendwie Herz-Kreislauf-Erkrankung, Krebs ist ganz weit oben und so weiter und so fort, aber eben nicht für so junge Menschen. Und wir ignorieren dabei natürlich auch, dass diese Art von Todesfällen auch in Katar vorkommen. Wir suchen ja, wir sortieren ja nicht jeden vorher aus, das weiß man ja oft nicht, gerade diese Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind ja oft nicht diagnostiziert, die sind teilweise bei Sportlern nicht diagnostiziert, da gibt es immer wieder solche Fälle. Das ist das eine Problem daran. Ich habe versucht, Zahlen für Indien zu finden, also eine Quote für Indien zu finden, was die natürlichen Todesursachen in dieser Altersgruppe betrifft und habe keine gefunden. Ich habe Allgemeine gefunden, wo zum Beispiel im Gegensatz zu westlichen Ländern Tuberkulose noch relativ weit oben war. In den westlichen Ländern war der Anteil der natürlichen Todesursachen in der Altersgruppe ungefähr ein Drittel, ich glaube sogar noch weniger. Ich glaube es waren um die 20, 25 Prozent sogar nur. Wie gesagt, für Indien habe ich es nicht gefunden. Was er dabei aber auch vergisst, ist, dass die Bereiche, in denen die Leute dort arbeiten, in Katar andere sind, als sie es im Mittel in Indien sind. Und gerade wenn wir vom Bereich Bauarbeiten reden, ist das nun mal ein relativ gefährliches Berufsfeld. Auch da wiederum, diese Zahlen sind nicht immer super leicht für jedes Land der Welt zu bekommen, aber das mal um so ungefähr einen Überblick zu geben. Construction, also Bauarbeiten, ist in der Anzahl der gesamten Tode in den Vereinigten Staaten führend. So muss man natürlich sagen, halt, das können wir nicht so leicht vergleichen, denn wenn wir die Gesamtanzahl der Tode in einem Berufsfeld leben, müssen wir das vergleichen mit, wie viele Leute in diesem Berufsfeld arbeiten. Wenn in irgendeinem Feld eine Million arbeiten und in dem anderen arbeiten tausend und in jedem sterben 100 pro Jahr, dann würde ich nicht unbedingt in dem Berufsfeld arbeiten wollen, wo nur tausend arbeiten. Deswegen gibt es rechts noch diesen kleinen Balken, der die relative Raid pro 100.000, pro 100.000 Vollzeitbeschäftigte beschreibt und ganz unten einen Vergleichswert für die durchschnittlichen Beschäftigten. Man stellt fest, dass das Berufsrisiko tödlich zu verunglücken ist im Bereich Bauarbeiten um Faktor 3 etwa höher als bei der durchschnittlichen Bevölkerung. Strängerweise muss man dazu sagen, dass nicht nur das Baugewerbe dazu zählt. Transport und Lagerhaltung zum Beispiel ist noch mal deutlich höher, das ist fast fünfmal so hoch. Und auch das ist ja etwas, was in den Bereichen, wenn es darum geht, Infrastruktur zu schaffen, sehr wichtig. Ein anderes, was ich glaube ich hier gerade nicht sehe in dieser Sicht, weil die sortiert ist nach den Gesamtanzahl der Fälle. Also es gibt alle möglichen anderen Berufe, die auch nicht für Construction gerechnet werden, die aber auch relativ hohes Berufsrisiko tragen. Und dann sind wir halt an dem Punkt, wo wir sagen müssen, lieber Tim, das was du da gemacht hast, war mit Sicherheit gut gemeint, irgendwie aufmerksam zu machen. Das hat bestimmt auch funktioniert, denn ich habe einiges an Artikeln dazu gelesen und möglicherweise haben sich auch einige erst dann damit angefangen, damit zu beschäftigen, wie die Arbeitsbedingungen für die ausländischen Arbeiter in Katar überhaupt aussehen. Und Spoiler Alarm, die sind trotzdem nicht rosig. In der Vergangenheit war es so, auch wenn das Gesetz geändert werden sollte, dass zum Beispiel die Arbeiter, die dort vor Ort waren, zum Teil keinen Zugriff auf ihre Pässe und Personalausweise hatten, weil der Arbeitgeber die in Beschlag nehmen konnte. Das hat also insofern etwas Gutes gehabt. Nur diese Statistik, die anfangs angeführt wurde, ist halt immer so schwer zu sagen, wie man das am besten formuliert. Sie wäre technisch vermutlich zumindest mal hochgradig irreführend, sagen wir es mal so. Und wertlos, absolut wertlos, da sind wir uns glaube ich einig. Die sagt überhaupt nichts aus, was sie aussagen soll. Die Frage ist, ob man es als dreiste Lüge bezeichnen sollte. Und da können sich halt die ITUC immer noch retten. Ja, na ja, also wir vergleichen halt absichtlich Äpfel und Birnen. Wir vergleichen auf der einen Seite Menschen, von denen wir wissen, dass sie bei der unmittelbaren Arbeit an einem Stadion, zum Beispiel in Südafrika, ums Leben gekommen sind, zum Beispiel zur Tode gestürzt sind, mit einfach nur allen anderen Todesfällen. Also machen wir halt so. Wir vergleichen absichtlich Dinge, die nicht vergleichbar sind. Für meine Begriffe ist das unaufrichtig mal im Minimum. Ich würde so weit gehen, das als als für praktische Belange dreiste Lüge zu bezeichnen. Ja, und das soll dieser Exkurs gewesen sein. Was wir festhalten ist, meine goldene Regel, je unglaublicher etwas klingt, was ihr irgendwo lest oder in der Dokumentation seht oder so, je unglaublicher etwas klingt, desto eher solltet ihr es nicht glauben, ohne euch zu vergewissern, dass das, was dort steht, auch wirklich stimmt. Und vor allen Dingen, das ist auch ein anderer wichtiger Fall und Faktor, wenn ihr Artikel lest, dass das, was die Überschrift suggeriert, auch tatsächlich durch den Artikel bestätigt wird. Das ist auch so ein ganz, ganz häufiger Fall. Es gibt Menschen, die glauben, dass die Bildzeitungen diejenigen sind, die immer lügen und die Unwahrheit schreiben komplett, also die einfach Geschichten erfinden oder so. Das ist nicht das Problem. Damit läufst du am ehesten solchen MelDungeon wie diesen auf den Leim, nämlich wenn du sie irgendwo liest, wo sie nicht in der Bildzeitung veröffentlicht sind. Das Problem ist, dass ganz, ganz viele Nachrichten, die man irgendwo liest, in einer Art und Weise formuliert sind, Überschriften vor allen Dingen, gibt ja viele gelesen nur die, in einer Art und Weise formuliert sind, dass sie etwas suggerieren, was nicht der Fall ist und im Idealfall wenigstens im Artikel die Informationen enthalten, die den ganzen Teil der Geschichte erzählen, in vielen Fällen aber auch das nicht. In vielen Fällen nimmt man sich halt nur, pickt man sich die Zahlen raus, die man gerade braucht für das, was man an Geschichte erzählen will, wie in diesem Fall halt. Und lässt die Informationen weg, die das Ganze in eine Perspektive setzen. Das kann einem auch sehr, sehr häufig passieren. So, das soll es gewesen sein für heute. Ich fand das Thema interessant. Mir ist das irgendwie in die Quere gesprungen und war etwas, wo ich mir dachte, da gucke ich mal zu nach. Ich hoffe, es hat euch unterhalten und ich hoffe, ihr seid auch beim nächsten Mal wieder bei, beim nächsten BMZ zu Themen eurer Wahl. Macht es gut und tschüss, sagt euer Onkel Barlow.